Abschied von einer Turnlegende

Die Nachricht verbreitete sich beim diesjährigen Jahnturnfest in Freyburg/Unstrut in Windeseile. Dresdens Turnlegende Johannes Göbel war kurz zuvor im Alter von 90 Jahren nach längerer Krankheit friedlich eingeschlafen. Beim Open-Air-Turnfest zu Ehren des Turnvaters hatte „Jannes“, wie ihn seine Turnfreunde liebevoll nannten, früher als Turner und in den letzten Jahrzehnten stets als Kampfrichter mitgewirkt.

Turnen war sein Leben

In Freital geboren und im dortigen Stadtteil Burgk aufgewachsen, kam Jannes bereits in jungen Jahren mit dem Turnen in Kontakt. Nach dem Abitur zog es ihn nach Leipzig. Das Studium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig schloss er als Diplomsportlehrer erfolgreich ab. Nach einer Zwischenstation in Burgstädt bei Chemnitz kehrte er in den 1960er Jahren in seine Heimatstadt zurück und wurde Berufsschullehrer im Edelstahlwerk und Trainer bei der BSG Stahl Freital. Die Freitaler Riege mit ihm war damals sehr erfolgreich. In dieser Zeit entstand auch gemeinsam mit Horst Eichler und Heinz Gühne die Idee zum legendären Windbergturnen, das mit seinem besonderen Modus jährlich Turner aus der gesamten Republik anzog.

Ende der 1970er Jahre wechselte er zur damaligen Hochschule für Verkehrswesen und zeichnete als Sportlehrer für den Hochschulsport verantwortlich. Auch nach der politischen Wende blieb er dem neu gegründeten Universitätssportverein (USV) der TU Dresden treu und trainierte neben den Studentinnen und Studenten auch Kinder. Darunter waren sogar die eigenen Enkelkinder.

Kampfrichter und Organisator

Nach seiner sehr aktiven Turnkarriere mit vielen Titeln wechselte er den Blickwinkel und wurde Kampfrichter. Weit über 650 Einsätze standen hier am Ende im sogenannten Kari-Buch.

Neben der Trainer- und Kampfrichtertätigkeit war Jannes auch ein „Macher“. Er organisierte Wettkämpfe, Schauturnen oder Vereinsfeste und half zeitweise sogar bei der Ausrichtung Deutscher Turnfeste. Auch im Turnverband arbeitet er längere Zeit in erster Reihe mit.

1988 rief er mit dem Meißner Rainer Hampel die Dresdner Turnpokalrunde ins Leben. Die beliebte Wettkampfserie gibt es heute noch. In diesem Jahr wird bereits die 35. Auflage ausgetragen. Mit „Turnen vor und jenseits der 50“ kam in den 1990er Jahren eine zweite Reihe für die älteren Turner im Raum Dresden hinzu. Auch hier gab es mehrere Auflagen.

Für die Moderation eines Wettkampfes brauchte Jannes kein Mikrofon. Mit markanter Stimme sorgte er für einen zügigen und geordneten Ablauf. Jeder Turner wusste immer genau, wie viel Zeit er am Gerät noch hatte. Aber auch im Training lief es unter ihm immer gut strukturiert ab. Wenn jemand mal nicht so fleißig war, schallte ein „Ihr seid hier nicht zur Kur!“, verbunden mit einem Lächeln, durch die Halle.

Stimmung mit der Gitarre

Doch Jannes hatte auch noch andere Talente. Mit seiner Gitarre und einem großen Liederschatz brachte er Stimmung und Freude in jede gesellige Runde. Mit einigen Turnfreunden sorgte er einst sogar bei einer großen Tanzveranstaltung für die Pausenunterhaltung. Auch beim Jahnturnfest war er stets beim gemeinsamen Singen mit dabei.

Als sei das alles nicht schon genug, schrieb er auch noch sein ganzes Leben lang Artikel für die regionalen Zeitungen. Ursprünglich wollte er sogar mal Journalist werden. Zum Glück für den Turnsport ist daraus nichts geworden.

Fast bis zum Ende blieb er der Turnerei treu. Erst als die Gesundheit gar nicht mehr mitmachte, zog er sich zurück. Nun folgt er seiner Frau Ingeborg, die bereits vor einigen Jahren verstorben war. Sie hatte ihm immer den Rücken freigehalten.

Seine Weggefährten beschreiben Jannes als sehr geselligen, ehrgeizigen, aber auch einfühlsamen Zeitgenossen. Alle Turnerinnen und Turner, die Jannes kannten, haben zu ihm aufgeschaut und werden ihn als stets korrekten, aber auch humorvollen Turnfreund in Erinnerung behalten. Er war stets ein Vorbild für alle Generationen, sein Lebenswerk hat große Anerkennung und Respekt verdient.

Bei der diesjährigen Auflage des Jahnturnfestes regnete es z. T. in Strömen. Es schien fast so, als ob auch der Himmel ein paar Tränen für die Dresdner Turnlegende vergoss.

Wir verabschieden uns von Jannes mit einem kräftigen „Sport – frei!“